Meilenstein der Geschichte in Winsen (Luhe)

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Stelle/Winsen (Luhe). Es war ein Skandal, als Lenelotte von Bothmer ihre Rede im Bundestag begann. Dabei ging es gar nicht um ihre Ausführungen – der Inhalt der Rede zur Schulpolitik interessierte letztlich niemanden –, sondern um ihr Aussehen: Die Sozialdemokratin trug am 14. Oktober 1970 einen beigefarbenen Hosenanzug. Lenelotte von Bothmer war die erste Frau in Hosen im Parlament und was heute selbstverständlich erscheint, war damals für viele ein Affront. Diese und andere Meilensteine der Geschichte beleuchtet eine Ausstellung, die im Kreishaus B in Winsen zu sehen ist.

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Andrea Schrag, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Harburg, organisiert die Ausstellung anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März. Die Präsentation ist bis zum 18. April zu den Öffnungszeiten der Kreisverwaltung kostenfrei zugänglich. Dazu gibt es ein kleines Quiz, bei dem alle ihr Wissen zum Thema Gleichberechtigung und zur Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland testen können.

Die Ausstellung umfasst 17 Schautafeln, die jeweils ein neues Kapitel in der Geschichte der Gleichberechtigung aufschlagen, porträtiert mutige Frauen, die für diese Meilensteine stehen, und wagt den Blick nach vorn. So geht es auch um die Frage, wie ein modernes Verständnis von Demokratie und Gleichberechtigung aussieht.

Die porträtierten Frauen stellen immer die Erste dar, die ein bestimmtes Amt ausübte oder maßgeblich für eine bestimmte Gesetzesänderung eintrat, wie eben Lenelotte von Bothmer, Elisabeth Schwarzhaupt 1961 als erste Bundesministerin, Annemarie Renger 1972 als Bundestagspräsidentin oder Angela Merkel 2005 als Kanzlerin. „Diese Meilensteine und die Leistungen von Frauen für die Gesellschaft sind nach wie vor wenig präsent und werden oft vernachlässigt. Umso wichtiger ist es, dass wir nicht nur zum Frauentag daran erinnern“, betont Andrea Schrag.

Die Ausstellung schildert so anschaulich den schwierigen und langen Weg von 1918 bis zum heutigen Tag. Denn erst mit dem Ende der Monarchie 1918 erhielten Frauen in Deutschland das Wahlrecht. Die Formulierung „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“ wurde erst im Grundgesetz festgeschrieben, das dieses Jahr sein 75. Jubiläum feiert. „Das war ein entscheidender gleichstellungspolitischer Meilenstein“, stellt Andrea Schrag fest.

Doch viele Regelungen galten dennoch noch lange. Denn nicht nur politisch, sondern auch in anderen Bereichen waren Frauen lange so gut wie rechtlos. Im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 wurde festgeschrieben, dass der Ehemann in allen relevanten Fragen das Recht hatte, endgültig zu entscheiden. Erst 1957 wurde der sogenannte Gehorsamsparagraf aufgehoben und 1977 mit der Reform des Ehe- und Familienrechts die Hausfrauenehe überwunden und durch das Partnerschaftsprinzip ersetzt. Frauen dürfen seitdem ohne das Einverständnis ihres Ehemannes erwerbstätig sein und in der Ehe gibt es keine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung mehr. Die Hausarbeit, so das Gesetz, sollte im gegenseitigen Einverständnis geregelt werden.

„Aber bei allen Fortschritten bleibt heute noch viel zu tun. Die formale Gleichberechtigung haben wir erreicht, aber von der tatsächlichen Gleichberechtigung der Geschlechter sind wir noch weit entfernt“, stellt Gleichstellungsbeauftragte Schrag fest. Sie weist unter anderem auf die ungleiche Verteilung sogenannter Care-Arbeit – also beispielsweise Pflegetätigkeiten oder Kinderbetreuung – und die Unterrepräsentanz von Frauen in der Politik hin. Sorge machen ihr Bestrebungen in vielen Ländern und auch von Gruppierungen in Deutschland, Gleichberechtigung und Frauenrechte zugunsten tradierter Geschlechterrollen und ‑klischees einzuschränken. „Gerade jetzt ist es wichtig, sich für Frauenrechte stark zu machen. Wenn Frauenrechte unter Druck geraten, sind auch die anderen Menschen- und Grundrechte gefährdet.“ (dh/ein)